Ur-Oma Luise mit Fidelio

© Norbert Meier und Ute Laager 2016


Einführung und Veranlassung

Unsere beiden Enkeltöchter heißen Tara und Nele. Tara ist 4½ Jahre und Nele 2 Jahre alt. Im
Kindergarten hatte Tara erzählt, dass sie vier Omas hat. Wie sind denn ihre Namen, fragte die
Kindergärtnerin. Tara kennt ihre Namen: Oma Ute, Oma Gitte, Oma Liselotte und Ur-Oma Luise.

Am Ostersonntag waren wir dann bei Liselotte, Wolfgang und Luise mit der ganzen Verwandtschaft
zum Brunch, zum Ostereier-Sammeln im großen Garten und dann noch anschließend zum Kaffee-
trinken eingeladen. Es wurde viel erzählt, auch von den Ereignissen in den 50-ziger Jahren. Den Anstoß
dazu gab ich mit dem Hinweis auf die beeindruckenden Szenen in dem dreiteiligen Fersehfilm im ZDF
mit dem Titel "Ku´damm 56", der kurz vor Ostern gesendet wurde. Man sah auch großräumige Straßen-
szenen mit vielen Autos aus der damaligen Zeit, wie zum Beispiel einen VW mit kleiner Heckscheibe,
eine Borgward Isabella, einen grünen BMW V8, einen schwarzen Mercedes 180, ein Tempo Dreirad-
Lieferwagen, eine hellblaue und eine rotweiße BMW Isetta.

Auch die 84-jährige Ur-Oma Luise erzählte von der damaligen Zeit. Ein besonderes Ereignis war im
Jahre 1956 für Luise und ihrem Mann der Kauf eines neuen Röhrenradios mit UKW. Es funktioniert
heute noch. Es ist das Nordmende-Radio Bremen Fidelio mit einem wunderschönen Klang.


Das Radio von Nordmende Bremen Fidelio

Dürfen wir uns das Radio einmal ansehen, war meine Bitte an Luise. Sie führte uns in ihr Wohnzimmer,
da stand es.

Bild 1a

Eine Nahaufnahme zeigt Einzelheiten von der Frontseite.

Bild 2

Der Radioname Fidelio ist unterhalb vom rechten Senderdrehknopf auf der Glasplatte mit den vielen
Namen der damaligen Mittelwellensender eingraviert. Heutzutage braucht man die Taste für Mittelwelle(M)
nicht mehr zu drücken: In Deutschland sind seit dem 31.12.2015 alle Mittelwellensender abgeschaltet.
Um UKW-Sender zu empfangen, muss am Tastenfeld ganz rechts außen die UK-Taste gedrückt werden.
Viele UKW-Sender sind zu hören. Mein Sohn, der Vater von Tara und Nele, und ich dürfen auch die Rück-
wand vom Nordmende-Radio mal abschrauben, um die damalige Radiotechnik zu betrachten.

Bild 3

Der große Oval-Lautsprecher fällt sofort auf. Weitere Details sind mir als ehemaligem Radiobastler bestens
bekannt: Das magische Auge, die drehbare Ferritantenne, der Netztrafo, der immer noch auf 220 Volt geschaltet
ist, die langen Aluminiumtöpfe mit den Bandfilterspulen, der Übertrager für den 4 Ohm Lautsprecher, die
Elektronenröhren, von denen die hintere vermutlich die Endröhre EL84 ist.


Weitere Einzelheiten vom Nordmende-Radio Bremen Fidelio

Zwei Wochen nach Ostern habe ich mit Ur-Oma Luise noch einmal Kontakt aufgenommen. Ich möchte noch
mehr von ihrem Röhrenradio Fidelio erfahren: Wo befindet sich der UKW-Baustein, wie lautet die komplette
Röhrenbestückung, wie sieht die Verdrahtung der Widerstände und Kondensatoren unter dem Chassis aus ?.
Wir verabreden uns erneut. Ich werde vorsichtig das Innere vom Radio staubfrei machen. Wegen der heutigen
höheren Netzspannung von 230 bis 235 Volt muss der Netztrafo im Radio von 220 auf 240 Volt gestellt werden.
Gibt es einen Radio-Schaltplan ?
Der nochmalige Besuch bei Luise war für mich sehr erfolgreich. Das Chassis wurde sorgfältig gesäubert und
sieht nun so aus:

Bild 4

Wie man sieht, ist der Netztrafo auf 240 V eingestellt. Eine Nahaufnahme zeigt die drehbare Ferritantenne
und die Aufnahme daneben zeigt den UKW-Baustein links unter dem Chassis. Der Baustein enthält zwei
Röhren mit der Bezeichnung EC92.

Bild 5

Wie sieht das Radio von unten aus ? Wie zu erwarten, sind die Widerstände und Kondensatoren mit den
Unterseiten der Röhrensockel frei verlötet. Eine Platinenbestückung mit Radiobauteilen gab es damals
noch nicht.

Bild 6

Nach den Zusammenbau setze ich zum Schluß die Rückwand ein und war etwas erstaunt über den folgenden
Schriftzug auf der Rückwand ohne den Namen Fidelio:

Bild 6

Der Name Nordmende Bremen sagt aus, dass der Produktionsort von Nordmende nach dem Kriege in Bremen
lag. In der Bremer Fabrikation wurde großer Wert auf die wohlklingenden Radionamen von Opern gelegt. Verkaufs-
schlager von Nordmende waren damals Radios mit den Namen "Carmen", "Othello", "Rigoletto" und "Fidelio".


Schaltplan und Röhrenbestückung

Der Originalschaltplan lag im Radio unter dem Chassis. Vom stark vergilbten Schaltplan habe ich folgenden
Ausschnitt fotografiert:

Bild 6a

Man sieht im Teilbild den Netztrafo mit dem Brückengleichrichter und den Siebkondensatoren. Die Stiftbelegung
der sechs verschiedenen Radioröhren ist oben links dargestellt. Darunter liefert die Radio-Bauteile-Tabelle die
Dimensionierung der im Schaltplan nummerierten Bauteile.

Ein zweites Teilbild zeigt die Endstufe mit der Pentode EL84.

Bild 6b

Außerdem ist der Übertrager für den 4 Ohm Lautsprecher zu sehen. Der Hochtonlautsprecher ist dagegen
kapazitiv ohne Übertrager angeschlossen.

Die Radioröhren ECH81, EF85, EABC80 und EL84 sind Standardröhren und sind in fast allen Röhrenradios
der damaligen Zeit in Deutschland zu finden.

Bild 6c

Die Daten jeder Elektronenröhre findet man in den Röhren-Taschen-Tabellen. Meine Röhren-Taschen-Tabelle
vom Franzis-Verlag aus dem Jahre 1957 ist immer noch in meinem Bücherschrank griffbereit. Herauskopiert
habe ich die Daten für die Endröhre EL84:

Bild 6d


Nachtrag: Eine BMW Isetta in unseren Fotoalben

Für den Kauf eines neuen Radios in der Preisklasse von über 300 DM mussten Luise und ihr Mann erst einmal
das Geld ansparen. Das war viel Geld für die damalige Zeit. Aber dann ging man 1956 mit der Geldsumme
ins Radiogeschäft in Mannheim. Zu ihrer Freude gab es beim Barkauf noch einen Barzahlungs-Rabatt von mehr
als 20%. Der nächste größere Wunsch von Luise und ihrem Mann war einige Jahre später der Kauf eines
Kleinwagens. Für ihren Mann, der nur einen Motorradführerschein besaß, gab es damals nur zwei Kaufmöglich-
keiten: Ein Goggomobil oder eine BMW Isetta mit 250 ccm. Man kaufte eine hellblaue Isetta 250 ccm. Das
Bild aus dem Jahre 1959 zeigt die BMW Isetta. Im Bild links neben der neuen Isetta steht mit ihrer Freundin
Monika die achtjährige Tochter Liselotte im weißen Kommunionskleid. In der rechten Hand hält sie die
Kommunionskerze und in der linken Hand das Gesangbuch. Während am Kommunionssonntag die Verwandtschaft
zu Fuß zur Herz-Jesu-Kirche ging, hat Walter, der Mann von Luise, beide Mädchen mit der Isetta zur Kirche
gefahren.

Bild 7

Nun konnte man auch die Verwandtschaft in der Nähe von Mosbach besuchen. Dort auf dem Lande kam es auch vor,
dass ein Sack Kartoffeln mitgenommen wurde. Er lag rechts vorne in der Isetta, unter den Füßen von Luise.

Auch mein Zwillingsbruder Gerhard und ich fuhren während unserer Studentenzeit eine BMW Isetta. Mein Bruder
studierte in Göttingen Volkswirtschaft und ich studierte Elektrotechnik in Hannover. Von dort fuhren wir
mit unserer gelben BMW Isetta 300 in den Semesterferien an die Ostsee nach Scharbeutz. Die weiteste Fahrt
ging nach Holland, auf die Ferieninsel Texel. Beim Auffahren auf die Fähre von Den Helder nach Texel wären
wir mit den kleinen Hinterrädern der Isetta beinahe am hohen Absatz zwischen Rampe und dem Fährschiff
steckengeblieben.

Bild 8

Unser Schulfreund Helge, mit dem ich heute noch Kontakt habe, war mit auf Texel. Sein gutes Aussehen
und sein athletischer Körperbau hatten eine anziehende Wirkung auch auf holländische Mädchen, wie in
den beiden folgenden Bildern zu sehen ist:

Bild 8

Nun zurück zum Thema Röhrenradios. Wenn Sie von den Nordmende-Radios noch einiges erfahren möchten,
dann schalten Sie mal meine Web-Seite mit dem Titel "Erlebte Radionostalgie mit Elektra" auf.


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